Seit Jahrzehnten gab es immer wieder neue Anläufe, um die Bad Godesberger Innenstadt zu modernisieren. Sie sind im Wesentlichen gescheitert, in Konflikten mit der Bürgerschaft und im politischen Gegeneinander stecken geblieben. Seit dem hoffnungsvoll gestarteten Leitbildprozess 2020 wird geplant, getagt, geredet, gestritten, geprüft und neu geredet. Zu sehen ist bisher wenig. Das soll sich ändern. Nikolaus Decker, Vorsitzender von Haus und Grund Bad Godesberg und Friedel Frechen, Redakteur von Haus & Grund aktuell, fragten Stadtplanerin Petra Denny, Leiterin des Stadtplanungsamtes, nach dem Arbeitsstand für
das größte Cityprojekt seit der Altstadtsanierung in den 60er Jahren. Das Integrierte Entwicklungskonzept für die Innenstadt von Bad Godesberg, ISEK, steht kurz vor den ersten Umsetzungsschritten.

Welche werden dies sein?

Aktuell wird die Entwurfsplanung für die Neugestaltung der Fußgängerzone im Bereich Am Fronhof bis Theaterplatz erstellt und nach den Sommerferien 2024 den politischen Gremien zur Beschlussfassung vorgelegt. Seit Februar 2024 ist das neue Zentrenmanagement im Ort der Begegnung und Labor für Transformation tätig. Noch im Juni wurden über die ersten Anträge an den Verfügungsfonds im Begleitgremium beraten. Weitere Maßnahmen befinden sich in Bearbeitung (Masterplan und Mobilitätskonzept, Städtebauliches Nutzungskonzept und Tourismus-/Freizeit-/Kultur-/Sportkonzept)

Wie sieht die Terminschiene aus?

Planungsstand heute ist mit Beginn der Neugestaltung der Fußgängerzone voraussichtlich Ende des dritten Quartals 2025 zu rechnen. Dabei wird die Vorweihnachtszeit berücksichtigt. Die Bauzeit beträgt etwa drei Jahre. Der erste Bauabschnitt wird im Zuge der Ausführungsplanung festgelegt, nach Abschluss der baufachlichen Prüfung. Geplant ist eine Wanderbaustelle, um möglichst wenige Flächen zeitgleich durch Tiefbauarbeiten zu beeinträchtigen.

Sind die beantragten Fördermittel bewilligt worden?

Für die Umsetzung des ISEK Bad Godesberg gibt es verschiedene Förderungen. Maßnahmen wie das Zentrenmanagement oder das städtebauliche Nutzungskonzept werden durch den Bund aus dem Topf „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“ mit rund 1 Mio. € finanziert. Unterstützt wird Bonn auch aus dem Bundesförderprogramm „Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel“. Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages hat im März 2023 die Projektskizze als förderwürdig ausgewählt und dafür rund 7,3 Mio. € in Aussicht gestellt. In der folgenden Qualifizierungsphase hat sich herausgestellt, dass nur
Elemente der „blau-grünen“ Infrastruktur förderfähig sind.

„Blau-grüne Infrastruktur“ bedeutet?

Gefördert wird beispielsweise das Anlegen von Baumrigolen und Tiefbeeten, der Einbau von Zisternen und Pflasterflächen mit Wasserlinien sowie das Anlegen neuer Pflanzflächen verbunden mit Entsiegelungsmaßnahmen. Damit stehen für die klimagerechte Neugestaltung der Fußgängerzone in Bad Godesberg rund 6,3 Mio. €, mit Eigenanteil der Stadt Bonn rund 7.4 Mio. Euro und für den Stiftsplatz in der Bonner Nordstadt rund 1 Mio. € (mit Eigenanteil der Stadt Bonn rund 1.2 Mio. Euro) an Bundeszuwendungen zur Verfügung.

Hilft auch das Land NRW?

2023 haben wir die Baumaßnahmen für Bad Godesberg bei der Städtebauförderung NRW angemeldet. Eingebunden sind auch die Bezirksregierung Köln sowie das Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung NRW. Ziel ist, über die Städtebauförderung die fehlende Finanzierung für die „graue“ Infrastruktur des ISEK Bad Godesberg abdecken zu können. Die Bezirksregierung Köln hat daraufhin zurückgemeldet, dass eine Fördermöglichkeit für 2024 trotz der derzeit überzeichneten Städtebauförderung des Landes geprüft werde. Wir warten auf das Ergebnis. Es ist für die Stärkung des Bad Godesberger Zentrums wichtig, dass die bereits begonnenen Maßnahmen wie die Umgestaltung der Fußgängerzone, das Zentrenmanagement etc. möglichst mit  Unterstützung des Bundes und Landes weiterlaufen.

Wie sollen private Investitionen zur Transformation der Innenstadt erreicht werden?

Wir wollen private Eigentümerinnen und Eigentümer in den mittel- bis langfristig angelegten Transformationsprozess der Innenstadt einbeziehen. Dafür wurde das Büro URBANLUST mit der näheren städtebaulichen Untersuchung von neun sogenannten Lupenräumen im Innenstadt- bzw. Masterplanbereich beauftragt.

Lupenräume?

Das städtebauliche Nutzungskonzept wurde eng mit den jeweiligen Eigentümer*innen der Lupenräume abgestimmt. Hierfür wurden Einzelgespräche geführt, um die Interessen der Eigentümerschaft mit den städtebaulichen Zielen in Einklang zu bringen. Das Konzept wird den politischen Gremien in Kürze vorgestellt.
Es dient auch als Handreichung an den Stadtteilarchitekten, der ab 2025 der privaten Eigentümerschaft in der Innenstadt von Bad Godesberg beratend zur Verfügung stehen soll.

Bad Godesberg bekommt einen Stadtteilarchitekten?

Wir möchten, abhängig von der Bewilligung bereits beantragter Fördermittel, ab 2025 eine Architektin oder einen Architekten beauftragen. Die Aufgabenstellung: Die noch zu findende Person wird ein klimagerechtes Hof- und Fassadenprogramm aufstellen und betreuen. Hierbei haben Eigentümerinnen
und Eigentümer die Möglichkeit, sich eine Kofinanzierung für Gestaltungs-, Restaurierungs- oder Umbauarbeiten an der eigenen Immobilie zu sichern. Darüber hinaus steht sie für die private Eigentümerschaft beratend zur Verfügung, z.B. im Vorfeld eines Bauantrages. Grundlage der Aufgabe ist in jedem Fall  das städtebauliche Nutzungskonzept.

Wann startet das Hof- und Fassadenprogramm?

Es wird von der Stadtteilarchitekt*in erarbeitet. Dazu gehört auch die Förderrichtlinie in der die Fördermöglichkeiten definiert werden. Unterstützung kann es geben bei Fassadenbegrünung, Entsiegelung eines Innenhofs oder die Neugestaltung einer Fassade sein. Es geht dabei besonders um Maßnahmen mit einem positiven Effekt für das Klima, zum Beispiel um Kühleffekte bei Hitzewellen.

Was erhoffen Sie sich von den Eigentümerinnen und Eigentümern?

Da bin ich zuversichtlich. Die Erfahrung zeigt, dass öffentliche Investitionen häufig Anlass für private Investitionen sind. Durch die Steigerung der Qualitäten im öffentlichen Raum ziehen private Akteure häufig mit. Gestärkt werden soll dieser Effekt in Bad Godesberg durch begleitenden Maßnahmen: Städtebauliches
Nutzungskonzept, Stadtteilarchitekt, Hof- und Fassadenprogramm, das Zentrenmanagement und den Verfügungsfond. Im „Forum für die Innenstadt“ begleiten
Verbände und weitere „Akteure“ den Neugestaltungsprozess.

Welche Erfahrungen machen Sie mit diesem Beteiligungsformat? War der Austausch konflikt- oder konsensorientiert?

Die Erarbeitung des im Jahr 2020 beschlossenen Leitbilds und Integrierten Stadtteilentwicklungskonzeptes (ISEK) wurde in Bad Godesberg von einem Begleitgremium unterstützt. Dies wird nun auch für die Umsetzungsphase des ISEK fortgeführt, das „Forum für die Innenstadt“. Haus & Grund Bad Godesberg
ist dort vertreten.

Noch ein Gremium?

Es ersetzt keine politische Entscheidung der Ratsgremien der Stadt Bonn, der Bezirksvertretung Bad Godesberg oder des Ausschusses für Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger, sondern unterstützt die Umsetzung des ISEK durch vorbereitende Abstimmungen zu den einzelnen Maßnahmen des ISEK – insbesondere hinsichtlich der Öffentlichkeitsbeteiligung. Aber auch das lokale Wissen wird im Forum genutzt und ausgetauscht, um die Umsetzung
der ISEK-Maßnahmen zu optimieren und auf die Bad Godesberger Bedürfnisse und Besonderheiten auszurichten. Die Sitzungen waren bisher gut besucht, der Austausch durchaus konsens- und zielorientiert.

Werden die Hauseigentümer und Mieter auch direkt informiert?

Die Ansprache erfolgte bisher projektbezogen z.B. über Hauswurfsendungen, Plakataushänge und persönliche Einladungen. Unterstützt durch das inzwischen gestartete Zentrenmanagement wird die Öffentlichkeitsarbeit weiter intensiviert. Welches Haus & Grund in der nächsten Ausgabe vorstellen wird.

Frau Denny, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Quelle: H&G Aktuell 07/24